Von Kurt
Für manchen Fleischliebhaber ist der Gedanke eines gemütlichen Grillabends ohne seine Lieblingswurst oder dem gewohnten Steak eine Horrorvorstellung.
Dogun ist schon längere Zeit Veganer und hat auch schon einige Fleisch- und Milchersatzerzeugnisse ausprobiert. Ich freue mich, dass er mit uns seine Erfahrungen teilt.
Bei diesem Artikel geht es mir nicht darum, wie gesund oder ungesund diese Produkte sind. Selbstverständlich müsste man das auch bei allen diesen Produkten separat betrachten, die meisten davon sind jedoch schon stark industriell verarbeitet. Deshalb würde ich den regelmässigen Verzehr davon zumindest hinterfragen. Für Menschen, welche auf eine strikt gesunde und basenüberschüssige Ernährung achten sind die meisten der folgenden Einkaufstipps darum nicht sehr relevant.
Kurt:
Hallo Dogun, schön dass du dich zu diesem Interview bereit erklärt hast. Seit wann lebst du vegan und was sind deine Gründe dazu?
Dogun:
Vegan ernähre ich mich seit knapp 2 Jahren. 2005 bin ich auf ein Bild gestossen, welches eine Schlachtszene zeigt. Daraufhin habe ich mir Gedanken über die Art und Weise, wie Menschen mit Tieren umgehen, gemacht. Ich schloss eine Wette mit einem Freund ab, um zu sehen, wer länger auf den Genuss von Fleisch verzichten könne. Als der überzeugte Fleischliebhaber, der ich damals war, hielt ich dieses Vorhaben gerade mal 11 Tage aus. Und während mein Freund fortan eine vegetarische Lebensweise weiterführte, brauchte ich vier weitere Jahre, um einen erneuten Versuch zu starten. Dieses Mal sollte es mir gelingen und so wurde ich schlussendlich 2009 zum Vegetarier.
In erster Linie wollte ich die Intensivtierhaltung und unsere Auffassung, viele Tiere „lediglich als Nutztiere“ zu betrachten, nicht mehr unterstützen. Der Mensch betrachtet sich als König der Welt und ich glaube, dass darin ein grosser Irrtum besteht. So fragte ich mich etwa, woher wir uns das Recht nehmen, unsere Daseinsberechtigung über die der Tiere zu stellen? Warum messen wir anderen Lebewesen weniger Wert bei – nur, weil wir bspw. unseren Verstand sehr gezielt einsetzen können? Ich begann, meinen eigenen, äusserst unbewussten Fleischkonsum zu hinterfragen. Immer mehr verstand ich, dass, würden mehr Menschen ihren Fleischkonsum zumindest reduzieren, dies auch der Umwelt sowie dem Menschen selbst sehr zugute käme und ganz einfach viele Menschen nicht hungern müssten. Nachdem ich mich einige Jahre vegetarisch ernährt hatte, wurde für mich klar, dass dies wohl nur der erste Schritt gewesen war und ich, um meinen neuen Überzeugungen gerecht zu werden und diese konsequent weiterzuverfolgen, wohl früher oder später eine vegane Lebensweise anstreben müsste. So begann ich, die Milchindustrie oder die Eierproduktion bzw. das damit verbundene Leid, welches der Mensch dadurch dem Tier antut, ebenso zu hinterfragen, wie den übermässigen Fleischkonsum. Ich brauchte allerdings wiederum einige Jahre, um mich von dem Gedanken, dass ich wohl kaum auf Milchprodukte würde verzichten können, zu lösen.
Kurt:
Wie hat sich das auf dein Wohlbefinden ausgewirkt? Spürst du Veränderungen im Vergleich zu vorher? Positives und Negatives?
Dogun:
Die Umstellung auf die vegane Lebensweise stellte für mich schon eine grosse Herausforderung dar. Ich sprang ja sozusagen einfach mal ins kalte Wasser, um zu sehen, ob ich das überhaupt schaffen würde. Konnte ich wirklich auf meinen leckeren Appenzeller Käse oder meine geliebten Berliner verzichten“? Und dann realisierst du eigentlich erst wirklich, wo überall Eier oder Milch drinstecken. Körperlich habe ich dann erst Mal ein paar Kilos abgenommen, das bereitete mir schon auch Sorgen, da ich ohnehin von eher schlanker Natur bin. Obwohl ich glaube, dass eine bewusste vegane Ernährung super gesund ist, war dieser Aspekt kaum ein Beweggrund für mich, die Ernährung zu wechseln. Ich musste mich schon erst Mal daran gewöhnen, auf einmal auf gewisse Dinge zu verzichten. Aber meine Gründe, es zumindest zu probieren, gaben mir viel Motivation, dabei zu bleiben. Für mich ist das ganze halt eine Einstellungssache – es fühlt sich wahnsinnig gut an, sich und seinen inneren Überzeugungen gegenüber ehrlich zu sein und somit auch so zu handeln.
Kurt:
Auf was achtest du für eine ausgewogene Ernährung speziell? Welche Nahrungsergänzungsmittel sind dir wichtig, wenn überhaupt?
Dogun:
Neulich habe ich mir im Reformhaus Lutschtabletten mit Vitamin B12 gekauft, die nehme ich momentan. Der Aspekt einer ausgewogenen Ernährung hat für mich erst in jüngster Zeit massiv an Bedeutung gewonnen – er war für mich persönlich ja nicht, wie bereits erwähnt, der Grund für meine Ernährungsumstellung. Ich höre halt auch auf „meinen Bauch“ – mein Körper sagt mir sehr oft, wozu er Lust hat oder was er braucht. Sich „nur auf dieses Gefühl“ zu verlassen ist sicherlich auch keine Garantie für eine gesunde Ernährung. Ich bin, was das anbelangt noch sehr am Anfang und bin deshalb für wertvolle Tipps von dir oder von andern Ernährungsberatern sehr dankbar! Ich darf mich zudem sehr glücklich schätzen, dass meine Freundin mich mit viel Hingabe bei meiner Ernährung unterstützt und es als ehemalige Veganerin blendend versteht, himmlische Gerichte zuzubereiten. Ohne sie hätte ich es wohl kaum durchziehen können – und nebst meiner Arbeit wohl auch kaum genug Energie, ausgewogen und gesund für mich zu kochen. Da muss man sich schon wirklich Zeit dafür nehmen!
Kurt:
Viele Menschen denken ja sie werden niemals satt, wenn sie vegan leben würden. Was würdest du ihnen sagen und wie sieht ein typisch deftiges Essen bei dir aus?
Dogun:
Die Freude am Essen war für mich immer schon sehr zentral – das hat sich auch nicht geändert. Am Anfang hat man wirklich das Gefühl: „Ohje – was kann ich denn überhaupt noch essen!“ Dann merkt man, dass viele Dinge ja sowieso rein pflanzlichen Ursprungs sind und sich so vieles vegan zubereiten lässt – und prima schmeckt! Egal ob dies die vegane Pizza, ein Müesli mit Hafer-„Milch“, die vegane Lasagne oder etwa ein „Chili sin Carne“ (bei welchem das Fleisch durch Tofu ersetzt wird) ist: Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, in den Genuss einer vorzüglichen veganen Küche zu kommen! Es existieren so viele verschiedene tolle Gemüsesorten und mit Reis, Kartoffeln, Hülsenfrüchten usw. lässt sich eine Menge „anstellen“. Das Problem des Nicht-satt-Werdens trat bei mir nur auf, wenn ich wo zu Besuch war und mich im Vorfeld nicht ausreichend über die dortigen Möglichkeiten einer veganen Ernährung informiert hatte bzw. mich nicht gut darauf vorbereitete und für mich selbst nicht genug Essen mitbrachte.
Kurt:
Hast du manchmal Lust auf Fleisch, wenn der Duft von Grilladen in der Luft liegt? Oder auf ein Stück Gruyère zum Beispiel?
Dogun:
Das kommt tatsächlich, wenn auch mittlerweile wirklich selten, vor. Z.B. wenn der „Hühnchen-Mann“ gegenüber meines Arbeitsplatzes seinen Wagen hinstellt oder jemand neben mir ein feines Stück Käse isst. Allerdings habe ich kein Problem damit, im Sinne von „dass ich mich des Verzichtes wegen selber total quälen müsste“ und ich es kaum aushalten würde, wenn jemand neben mir ein Stück Steak isst. Wenn solche Momente kommen, dann widme ich mich kurz ganz bewusst diesem Verlangen oder der Erinnerung daran. Den puren Geschmack bzw. der Geruch werde ich persönlich wohl kaum jemals verabscheuen und es kommt auch schon mal vor, dass ich kräftig an einer Bratwurst schnuppere - im nächsten Augenblick ist diese Lust allerdings wie weggeblasen. Ich habe mich also mittlerweile wirklich „daran“ gewöhnt.
Kurt:
Ich denke, viele Menschen, die ihre Ernährung umstellen wollen sind froh um ähnlich schmeckende Ersatzprodukte, welche ihr Vorhaben auch erleichtern können. Du hast schon Vieles anstelle von Fleisch und Milchprodukten ausprobiert. Magst du mit uns mal deine Erfahrungen teilen? Was sind deine Geschmacksfavoriten?
Dogun:
Liste meiner Lieblingsprodukte:
für Fleisch:
Der Papillon-Aufschnitt mit Paprika (im Reformhaus erhältlich) schmeckt sehr lecker und eignet sich z.B. gut für Sandwiches; es gibt auch feine Zitronen-Pfeffer-„Schnitzel“ (z.B. im Coop)
für Grilladen:
Die Grillwürstchen von Alnatura finde ich sehr lecker
für Milch:
Reis-, Mandel- oder Haferdrinks (gibt es in verschiedenen Supermärkten)
für Käse:
Die „Wilmersburger Scheiben“ (im Reformhaus erhältlich)
für Butter:
Die Kokos-Margarine (Migros)
für Sahne:
Da gibt es verschiedene Alternativen im Reformhaus, neulich habe ich eine Pfirsich-Macadamianuss-Torte gemacht, für welche ich mir aufschlagbare Pflanzensahne besorgte (aus dem Buch La Veganista von Nicole Just)
Kurt:
Immer wieder hört man die Leute sagen sie könnten nie auf das oder jenes verzichten. Bei den einen ist es der Käse, bei den anderen vielleicht der Cervelat. Hast du eigentlich manchmal das Gefühl, dass du als Veganer auf etwas verzichten musst?
Dogun:
Am Anfang war das sicherlich der Fall, die Umstellung und das Kennenlernen von anderen Möglichkeiten brauchte Zeit und Geduld. Mittlerweile habe ich das Gefühl aber nicht mehr. Es fühlt sich eher wie eine Bereicherung an, da ich nun viel bewusster esse und die Vielfalt an Essen auf unserer Erde schätze, ohne dass dafür ein Tier leiden muss. Früher war es mir bspw. egal, woher das Fleisch kommt, welches ich gerade esse.
Kurt:
Für alle, die mit dem Gedanken spielen, vegan oder vegetarisch anfangen zu leben, was für Tipps würdest du gerne weitergeben? Muss man am Anfang auf etwas Spezielles achten? Wie klappt das am besten, damit dieses Vorhaben auch auf Dauer gelingt?
Dogun:
2, 3 vegane Kochbücher sind sicherlich von Vorteil und helfen dabei, Neues kennenzulernen und auszuprobieren. Am Wichtigsten sind aber sicherlich die ganz persönliche Einstellung und die eigenen Gründe, vegan leben zu wollen. Man sollte einen Sinn darin erkennen und auf sein Herz hören, so wie es für einen „selber stimmt“. Das hat mich immer motiviert, weiterzumachen. Persönlich fällt es mir auch am leichtesten, etwas so konsequent wie möglich zu verfolgen, ich gönne mir keine Ausnahmen (z.B. einen „Fleisch-Tag“). Aber da sind alle anders, manche können auch 1, 2 Mal pro Woche Tierisches essen und dann wieder ein paar Tage darauf verzichten. Das finde ich auch sehr toll, wenn man das kann. Ich glaube, es hilft sicherlich, einfach grosses Interesse an einer Veganen Lebensweise zu zeigen: D.h. Rezepte zu lesen; Reformhäuser zu besuchen; die neuen Angebote in den Supermärkten zu checken (diesbezüglich hat sich ja in den letzten Jahren eine Menge getan und das ist wunderbar, denn sich immer alles im Reformhaus zu holen würde sich im Portemonnaie schnell mal gewaltig bemerkbar machen); sich mit anderen Veganern zu unterhalten; einfach offen sein für Neues und sich Tipps holten; ein veganes Restaurant besuchen; im Internet recherchieren usw.
Kurt:
Du hast mir erzählt, dass du kürzlich ein veganes Kartoffelsalatrezept ausprobiert hast. Passend zur Grillsaison die ja (hoffentlich) noch lange nicht vorbei ist, magst du es uns verraten? Wie hat es geschmeckt?
Dogun:
Der Kartoffelsalat war klasse! Das Rezept habe ich aus dem Buch Vegan for Starters von Attila Hildmann.
Kurt:
Herzlichen Dank für dieses Interview.
Dogun:
Vielen Dank für das Interesse und viel Glück mit eurem tollen Blog!
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